Was machen wir im Juni
Was macht Minoggio
Minoggio muss für ein Unternehmen mit Gesellschaftsanteilen in öffentlicher Hand eine Voruntersuchung führen, die in einem Rat mündet, eine vollständige, interne Untersuchung nach anonymer Anzeige eines Straftatverdachts in Auftrag zu geben oder davon abzusehen. Ein kritischer Auftrag. Neutralität ist gefordert, aber von der ersten Minute an in nicht wenigen Fällen gleichzeitig mehr oder weniger bedroht. Nicht immer gefällt das gefundene Arbeitsergebnis der Unternehmensleitung.
In einem unternehmensbezogenen Cum/Ex-Fall muss intern unter Beratern und Betroffenen eine mögliche Lösung ohne die Anstrengung eines öffentlichen Hauptverfahrens diskutiert und eine Entscheidung getroffen werden. „Cum/Ex“ – nach der persönlichen Überzeugung von Minoggio infolge langjähriger Befassung mit der Materie ein Synonym für ein gewaltiges Auseinanderfallen von tatsächlicher Rechtslage (moralisch fragwürdige, aber steuerrechtlich tragbare und steuerstrafrechtlich unerhebliche Ausnutzung einer hanebüchenen Gesetzeslücke) und öffentlicher Wahrnehmung (Kriminalisierung von Bankmitarbeitern und Anlegern unter Negierung von 10 Jahren Versagen des Gesetzgebers trotz positiver Kenntnis der Gesetzeslücke durch schriftliche Information des zuständigen Bankenverbandes an das zuständige Finanzministerium).
Darüber hinaus ist eine Blockvorlesung in Berlin an einer Hochschule im Rahmen einer Ausbildung von Compliance-Managern über die Standards bei Unternehmensverteidigung vorzubereiten – für Minoggio deshalb immer wieder interessant, weil sich die Studenten aus bereits berufstätigen Akademikern verschiedenster Fachrichtungen zusammensetzen, so dass interdisziplinäre Lösungsansätze für die Fallszenarien viel leichter erarbeitet werden können als von einer homogenen Gruppe.
Darüber hinaus steht Tagesarbeit an in mehreren Wirtschaftsstrafverfahren und die Vorbereitung einer Verteidigung in einem Steuerstrafverfahren in Süddeutschland, betreffend ein von der Finanzverwaltung als strafbar angesehenes Steuersparmodell (plakativ und vorverurteilend von Journalisten „Goldfinger Modell“ getauft). Über die steuerliche Anerkennungsfähigkeit wird man sich steuerrechtlich auseinanderzusetzen haben – das sich aber rein technisch ausgebildete und nicht finanzerfahrene Privatanleger trotz seriös und sachkundig daherkommender Beratung von Angehörigen steuerberatender Berufe einem Steuerstrafvorwurf auszusetzen haben, ist den persönlich Betroffenen nur schwer zu vermitteln. Der Bürger haftet steuerstrafrechtlich gerade nicht für seinen Steuerberater. Eine steuerstrafrechtliche Binsenweisheit, die in der Praxis nicht selten unterzugehen droht.
Darüber hinaus geht die wissenschaftliche Arbeit an den an dieser Stelle bereits in früheren Monaten genannten Fachveröffentlichungen voran.
Was macht Wehn
Wehn bereitet in einem Verfahren wegen Vorenthaltens und Veruntreuen von Arbeitsentgelt eine Stellungnahme vor. Kernpunkt ist in diesem Fall die Anzahl der Mitarbeiter, die für das Betreiben einer Gastronomie benötigt werden. Der Mandant hatte nur unzureichende Aufzeichnungen geführt, ihm wird Schwarzarbeit vorgeworfen. Im Rahmen von Befragungen durch das Hauptzollamt hatten verschieden Zeugen Angaben zu der Anzahl der Mitarbeiter gemacht, die sich teils stark unterschieden haben. In bestimmten Zeiträumen sollen einerseits nur 3 Mitarbeiter, nach anderer Aussage sogar 9 Mitarbeiter gearbeitet haben. Das Hauptzollamt hat teilweise umstandslos aus diesen Zahlen einen Mittelwert ermittelt. Der ist zwar mathematisch nachvollziehbar, geht aber an der Realität vorbei. Um dem bereits im Ermittlungsverfahren entgegenzutreten, hat Wehn den Mandanten in den letzten 2 Monaten detaillierte Aufzeichnungen über die Stundenanzahl der einzelnen Mitarbeiter an jedem Tag anfertigen lassen. Diese werden ausgewertet und überschaubar dargestellt. Daran kann eine realistische Auslastung des Betriebes dargestellt und so den pauschalen Annahmen des Hauptzollamtes entgegengetreten werden.
Wehn bereitet darüber hinaus eine Hauptverhandlung vor, die Ende Juni vor einem Landgericht beginnt. Der Mandantin wird versuchter Totschlag vorgeworfen, sie befindet sich in Untersuchungshaft. Aufgrund zahlreicher, sich widersprechender Zeugenaussagen im Ermittlungsverfahren muss die Vernehmung der (größtenteils feindlichen) Zeugen in der anstehenden Hauptverhandlung besonders genau vorbereitet werden. Insbesondere muss vor Gericht herausgearbeitet werden, dass eine sogenannte Nothilfe (also eine Notwehr zugunsten einer anderen Person) vorgelegen hat. Kann das Gericht dies am Ende der Hauptverhandlung nicht ausschließen, muss es die Mandantin freisprechen. Es läge dann ein sogenannter Rechtfertigungsgrund vor, der einer Verurteilung entgegen steht. Darüber hinaus stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Annahme eines Tötungsvorsatzes. Hier muss herausgearbeitet werden, dass die bisherigen Ermittlungen keinen sicheren Schluss auf einen solchen Vorsatz zulassen, sondern allenfalls eine Körperverletzung vorliegen kann mit erheblich geringerer Straferwartung. Ziel der Verteidigung ist ferner, zumindest den Untersuchungshaftbefehl aufheben oder außer Vollzug setzen zu lassen. Oftmals sind Richter nach einer Hauptverhandlung eher bereit, einen Angeklagten auf freien Fuß zu setzen, als bereits während des Ermittlungsverfahrens im Rahmen einer Haftprüfung.
Was macht Possemeyer
Possemeyer erwartet Anfang Juni in einem Verfahren wegen Mordes nach über 20 – teilweise sehr hitzigen – Verhandlungstagen vor einer Schwurgerichtskammer im Ruhrgebiet die Verkündung des Urteils. Die Staatsanwaltschaft hat eine Verurteilung wegen Mordes beantragt und eine lebenslange Freiheitsstrafe gefordert. Possemeyer hat in seinem Plädoyer herauszuarbeiten, dass ein zurechenbarer Kausalzusammenhang zwischen Handlung und Tod des Verstorbenen nicht feststellbar ist. Im Ergebnis liegen demnach nur die Voraussetzungen eines schweren Raubes vor. Die Straferwartung läge somit in einem wesentlichen niedrigeren Bereich.
In einem weiteren Verfahren wegen schwerer Körperverletzung muss ein Schöffengericht im Ruhrgebiet mit Hilfe eines Sachverständigen feststellen, ob der Mandant zur Tatzeit schuldfähig war. Gemäß § 20 Strafgesetzbuch handelt ohne Schuld, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser zu handeln. Da es in diesen Fällen häufig auf fachspezifische Feststellungen ankommt, wird regelmäßig ein qualifizierter Sachverständiger hinzugezogen, in der Regel ein speziell ausgebildeter forensisch erfahrener Psychiater. Sollte das Gericht nach Anhörung des Gutachters zu dem Ergebnis kommen, dass der Angeklagte möglicherweise in einem schuldunfähigen Zustand gehandelt hat, so ist er freizusprechen.
Ferner verteidigt Possemeyer in einem Verfahren vor einem Amtsgericht wegen falscher unendlicher Aussage. Die Beweisaufnahme in diesem Verfahren ist schwierig, da das komplette Ursprungsverfahren rekonstruiert und eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt werden muss.
Was macht Bischoff
Bischoff beschäftigt sich im Juni vor allem mit der Erstellung umfangreicher Schriftsätze. Es gibt Monate, in denen produziert ein Anwalt vor allen Dingen jede Menge „Papier“ und verbringt nur wenig Zeit im Gerichtssaal oder bei Behörden. Der Juni ist ein solcher Monat. Zunächst laufen in ihrem Dezernat zwei Revisionsbegründungsfristen am Bundesgerichtshof ab. Die Revisionsbegründungsfrist ist der „bedrohlichste“ Fristablauf des Verteidigers, da sie unter keinen Umständen verlängert werden kann. Der Bundesgerichtshof musste sich kurioserweise in der Vergangenheit bereits mit einem Fall beschäftigen, indem ein Verteidiger eine nicht mögliche Fristverlängerung beantragt und das unerfahrene Gericht diese Fristverlängerung tatsächlich gewährt hatte. Diese vermeintliche Verlängerung war wirkungslos und die Frist damit zunächst versäumt (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=77557&pos=0&anz=1). „Gerettet“ werden konnte der dortige Angeklagte nur über einen Wiedereinsetzungsantrag. Das Abfassen der Revisionsbegründungsschrift muss deshalb bereits vor Zustellung des schriftlichen Urteils gut geplant werden und hat höchste Priorität während der laufenden Frist. Eine gute Revision kann durch gute Verteidigung in der Tatsacheninstanz vorbereitet werden: Beweisanträge werden in erster Linie gestellt, um das Gericht zum Nachdenken anzuregen und die Richtung zu ändern, sofern ein Verfahren nicht wie erhofft verläuft. Nachrangig stellt man Anträge, um damit Sachverhalte für die Revision festzuschreiben oder durch Ablehnungen von Anträgen Angriffspunkte zu schaffen. Ein Revisionsverfahren lässt sich nicht immer vermeiden. Sei es, weil zunächst trotz tragbarem Ergebnis aus taktischen Gründen beispielsweise im Hinblick auf ein anderes Verfahren oder weitere Konsequenzen aus einer strafrechtlichen Verurteilung eine Rechtskraft verhindert werden soll. Sei es, weil eine Verbesserung des bisherigen Ergebnisses erwartet wird und hierfür rechtliche Anknüpfungspunkte vorliegen. Revisionsrecht ist ein streng formales Recht. Das Urteil wird nur auf Rechtsfehler überprüft, die Tatsachen nicht mehr. Es findet keine neue oder ergänzende Beweiserhebung statt. Deshalb ist die Erfolgsquote statistisch gering. Umso mehr kommt es bei der Verfassung einer Revisionsbegründungsschrift darauf an, die Besonderheiten des Revisionsrechts zu berücksichtigen und Urteil und Hauptverhandlungsprotokoll unter diesen Voraussetzungen mit großem Aufwand durchzuarbeiten. In beiden von Bischoff zu bearbeitenden Verfahren konnten rechtliche Angriffspunkte festgestellt werden, die jetzt ausgearbeitet werden müssen.
Nach einer strafrechtlichen Verurteilung eines GmbH-Geschäftsführers aus der Gartenbaubranche wird ferner vor einem Landgericht im Sauerland ein separates Einziehungsverfahren durchgeführt. In diesem in der Praxis noch nicht sehr verbreiteten Verfahren geht es darum, die finanziellen Vorteile aus der Tat (einer Steuerhinterziehung) unabhängig von der individuellen Strafe festzustellen und für den Staat auf dieser Grundlage einen vollstreckbaren Titel gegen den Geschäftsführer persönlich und die GmbH zu schaffen. Als Vorteile werden im vorliegenden Fall die durch eine Steuerhinterziehung ersparten Steueraufwendungen gesehen. Bislang ist dieser Streit, was bei einer Ersparnis „erlangt“ worden sein soll, im Bereich der Steuerhinterziehung nicht höchstrichterlich entschieden, so dass es sich lohnt, die Problematik juristisch zu beleuchten. Diesen Aufwand könnte und würde man sich sparen, wenn die Steuern parallel zum Strafverfahren bereits festgesetzt würden und damit die Zahlung ohnehin feststünde. Das ist vorliegend aber nicht der Fall, so dass verhindert werden muss, dass im Einziehungsverfahren steuerlich nicht feststehende Ergebnisse festgeschrieben werden.
In einem Ermittlungsverfahren wegen Sozialversicherungsbetruges steht eine lang geplante Verteidigerbesprechung an. Hintergrund ist, dass das Verfahren gegen insgesamt sechs Beschuldigte geführt wird, die durch ihre Individualverteidiger vertreten werden. Da sich inhaltliche Darstellungen des einen Beschuldigten immer auch auf den einen anderen Beschuldigten ebenfalls betreffenden Sachverhalt auswirken können, kann es im Interesse sämtlicher Beteiligten liegen, diese Darstellung im Rahmen der gesetzlich zulässigen Grenzen zu koordinieren. Koordination bedeutet dabei nicht inhaltliche Beeinflussung untereinander. Ein Austausch findet deshalb generell auf anwaltlicher Ebene statt und nicht mit den Beschuldigten persönlich. Letztlich geht es darum, die gemeinsamen Interessen auszuloten und innerhalb dieser Interessen möglichst mit einer abgestimmten Strategie vorzugehen (gemeint ist die so genannte Sockelverteidigung, die letztlich dazu dient, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden und im Interesse aller durchzusetzen).
Bischoff nutzt im Juni die Feiertage, um einige Wandertage auf dem Rheinsteig zu absolvieren, auch ein Wandermarathon ist wieder geplant, und dem Lieblingsneffen London zu zeigen. Nach diesen kurzen Verschnaufpause wird mit Hochdruck über den ganzen Sommer bis in den Herbst hinein an der 4. Auflage unseres Fachbuches Unternehmensverteidigung für den Beck-Verlag gearbeitet. Eine spannende und arbeitsintensive Herausforderung, die aber gute Erinnerungen an die Zeit am Lehrstuhl aufkommen lässt und zu steter Fortbildung in den von uns bearbeiteten Rechtsgebieten zwingt.
Was macht Westermann
Westermann unterstützt Wehn in einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung und Nichtabführens von Sozialversichungsbeiträgen im sechsstelligen Bereich. Im Rahmen zahlreicher Durchsuchungsaktionen sind unzählige Unterlagen und EDV sichergestellt worden. Wichtiger Bestandteil der Vorbereitung der Verteidigung ist es in diesem Fall, eine kurzfristige Herausgabe der Daten zu erreichen. Die beste Verteidigung nützt wenig, wenn der Geschäftsbetrieb aufgrund der Folgen der Durchsuchung still steht. Statt Beschwerden oder Anträgen lohnt es sich oft, mit den Ermittlungsführern informell Kontakt aufzunehmen. Wenn man darstellen kann, warum bestimmte Daten (seien es Ordner oder Festplatten) für den Geschäftsbetrieb unerlässlich sind, kann oft eine schnelle Auswertung und Rückgabe erreicht werden.
Klar ist auch: Die Daten, die bevorzugt herausverlangt werden, werden von den Behörden sicher ganz genau untersucht.
In einem Steuerstrafverfahren versucht Westermann, die Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Der Mandant hatte über soziale Netzwerke Kleidung und Accessoires verkauft, und keinerlei Gedanken an eine mögliche Steuerpflicht verschwendet. Ein verärgerter Kunde informierte die Polizei wegen eines nicht gelieferten Kleidungsstückes, diese prüfte dann das Gewerbe des Mandanten. Nunmehr wirft ihm die Steuerfahndung Hinterziehung von Umsatzsteuer über mehrere Jahre vor, eine empfindliche Strafe droht. Es ist dabei noch nicht klar, ob hier die sogenannte Kleinunternehmerregelung anwendbar ist. Diese besagt, dass Unternehmer bis zu einem gewissen Umsatz wählen können, ob Umsatzsteuer anfällt oder nicht (§ 19 UStG). Westermann versucht, dies anhand der vorhandenen Aufzeichnungen darzulegen. Damit entfiele natürlich eine Umsatzssteuerhinterziehung.
Darüber hinaus besucht Westermann im Juni eine Veranstaltung zum Thema „Digitale Kanzlei“. Die Abkehr von der Papierakte bringt sowohl dem Anwalt als auch dem Mandanten erhebliche Vorteile (besserer und schnellerer Zugriff auf Aktenauszüge, schnellere Information des Mandanten), der Datenschutz spielt jedoch eine ebenso große Rolle.