Akteneinsicht in einer Wirtschaftsstrafsache, Nachvollziehen von Ermittlungen des Landeskriminalamtes eines östlichen Bundeslandes im Jahr 2017. Durchsuchung einer Steuerberaterkanzlei (gesetzlich schweigepflichtiger Beruf bei Strafbarkeitsandrohung, besondere Privilegierungen deshalb und besonderer Beschlagnahmeschutz für Mandantenunterlagen sowohl nach Strafprozessordnung als auch nach Abgabenordnung!) aufgrund einer nur mündlichen Durchsuchungsanordnung der zuständigen Richterin. In der Akte ist nichts näher dazu dokumentiert. Es sollen vielmehr „alle Mandantenunterlagen“ sichergestellt und notfalls beschlagnahmt werden. Als dieser Durchsuchungsbeschluss vollzogen wird, befindet sich die Steuerberaterin im Urlaub. Diese widerspricht der Durchsuchung per Telefon, daraufhin erklärt ihr die LKA-Beamtin „Das nützt nichts, es wird sowieso vollzogen, es liegt ein Durchsuchungsbeschluss vor“. So geschieht dann auch.
Einige Monate später wird eine Zeugin vernommen, die Schwägerin des vom Verfahren Betroffenen, der ein vollständiges, gesetzliches Schweigerecht als Angehörige zusteht. Sie wird belehrt, sie hätte „kein Schweigerecht“, zunächst per Formular, dann noch individuell und besonders im Protokoll festgehalten. Gleichzeitig festgehalten ist, dass es sich bei dem Beschuldigten um ihren Schwager handelt.
Der Bürger denkt, dass bei einem Landeskriminalamt besonders gut ausgebildete und besonders erfahrene Beamte Dienst tun. Beamte, die sich die aus Strafprozessordnung und Verfassung ergebenden Schutzrechte des Bürgers kennen und rechtsstaatliche Grenzen einhalten. Meistens ist das auch so. Manchmal allerdings nicht. Man wundert sich. Auch deshalb gibt es uns.
Ingo Minoggio